Leben auf dem Land

"… Er soll aufs Land ziehen, soll eigenen Grund und Boden bebauen,
soll auf die Jagd gehen, Fische fangen, Bienen züchten,
die Schur der Schafe und das Melken der Kühe überwachen,
und jedenAbend werde er glücklich und zufrieden ins Bett sinken
und aller Weibersorgen ledig sein.
"

Ovid (43 v.Chr. bis 17 n.Chr.)



Dort ist „Temenos“ – „Heiliger Bezirk“ und „Robinson-Spielpaltz“.
Freiheit und Ungezwungenheit haben viel mit dem einfachen Landleben in der Hütte zu tun. Männliche Seelenlandschaft ist dort wo nichts genormt, nummerncodiert, mikrowellengeeignet; Nichts überflüssig ist. Wo nicht Uhren – die Handschellen der Moderne – herrschen; Wo das Internet und andere Kommunikationsmedien Werkzeuge sind – und nicht die Fäden mit denen Logarithmen und „Influencer“ das Denken und Handeln verwirren.
Die Abwesenheit vieler zivilisatorischer Selbstverständlichkeiten und alltäglichem Komfort läßt erst das Wesentliche erkennen und erleben.

Meine Philosophie ist inspiriert von Henry David Thoreau, Walt Whitman, Étienne de La Boétie - und der Natur, an deren Rand zur Zivilisation noch Raum für freies männliches Dasein ist.


Die "Kunst auf dem Land zu leben" beginnt damit sich frei zu machen von den Vorstellungen mit denen der längst ubiquitäre "Urban Lifestyle" ,sich selbst etwas vormachend, lobhudelt.

"Urban Lifestyle" - das ist Kurzlebigkeit und Konsum. Konsum nicht nur von kurzlebigen Dingen sondern auch von Gedanken.
Es ist nicht so daß diese Kurzlebigkeit sich nicht schon längst - real mit ihren "Hipstern" - und virtuell mit den "Sozialen Medien" - auch über das Land ergießt. Begünstigt durch Annehmlichkeiten die heute selbst in den entlegendsten Winkeln verfügbar sind: Das Auto, schnelles Internet und "leicht verdientes Geld".

Und doch: Das Landleben bietet noch das Entscheidende:
Die Möglichkeit Abstand zu nehmen und sich durch kostengünstiges Leben unabhängig von einem Dasein als Lohnsklave zu machen.
Räumlicher Abstand als Voraussetzung um "geistig Abstand" zur Wahrung der eigenen "geistigen Hygiene" halten zu können.

Auf dem Land leben bedeutet "näher am Leben"; den konkreten Dingen und damit auch "Herausforderungen" zu sein. Weil einem hier nicht Andere Alles abnehmen (auch das Geld - weil sie das ja nicht gratis tun...) werden viele Aufgaben zu Erfolgserlebnissen. Selbstvertrauen als Balsam für die Seele, das im urbanen Lebensstil bezahlt werden muß.


Der Städter kritisiert am Leben auf dem Land fehlende Konsummöglichkeiten und Unterhaltungsangebote; Aber auch soziale Kontrolle.

Bei den Konsummöglichkeiten übersieht er daß der Kunde heute nicht mehr zu den Waren gehen muß - sondern die Waren zum Kunden kommen.
Das Bedürfnis "unterhalten zu werden" ist eine Erscheinung der Langeweile und meist fehelender bzw. finanzierbarer Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Städter übersieht auch daß soziale Kontrolle keine räumliche Erscheinung ist; Sondern eine Frage von Macht. Soziale Kontrolle wird weniger durch staatliche oder institutionelle Macht ausgeübt als durch die einem umgebende Peergroup.

Dabei über sieht er auch daß auf dem Land der Einzelne heute eine andere soziale Position einnimmt als noch vor 50 oder 100 Jahren; Einer Zeit in der auf dem Land ein "Überschuß" an Bewohnern herrschte. Ein solcher "Überschuß" begünstigt asoziales Verhalten. Macht es leicht Einzelne oder soziale Gruppen willkürlich auszugrenzen und zu diskriminieren.
Gerade in dünn besiedelten Gegenden auf dem Land ist die Situation heute eine andere, weil längst ein Mangel an Bewohnern herrscht.

Die Gruppe auf dem Land ist heute oft zu klein um den Einzelnen beliebig durch Andere ersetzen zu können. Die Gruppe ist so divers daß der Einzelne gar nicht genötigt ist seine Individualität durch Anpassung an die herrschenden Moden seiner Peergroup aufzugeben um nicht befürchten zu müssen durch seine eigene Persönlichkeit angreifbar zu sein.

Der Städter verwechselt auch angebliche urbane Toleranz mit Anonymität und Gleichgültigkeit!


Ein Problem des "Internetzeitalters" liegt darin daß kein "Globales Dorf" im Sinne der genannten Freiräume des selbständigen Denkens entstanden ist - sondern eine "Globale Megacity" in der sich der Einzelne nahezu durchgehend im Machtbereich seiner Peer-Group bewegt.
Auch hier wird deutlich daß die Macht der Peer-Group größer ist als die einzelner Mächtiger oder staatlicher Institutionen. Nicht notwendiger Weise im Machtverhältnis zwischen Peer-Group und institutionalisierter Macht - aber bestimmt in ihrer Wirkung auf den Einzelnen.

Kein Kollektivismus hat dem Einzelnen mehr Freiheit gebracht. Ganz gleich ob es sich um eine Gemeinschaft der Gläubigen, eine Volksgemeinschaft oder eine gesellschaftliche Klasse handelte. Im Gegenteil: Der Einzelne wurde auf eine austauschbare Funktion im Kollektiv reduziert.
Die destruktive Macht des Kollektivs zeigt sich nicht zuletzt auch in der "Vergewaltigung" des Begriffs Demokratie. Ursprünglich als Einrichtung gedacht in der sich die Macht der Einzelnen alleine dazu solidarisch vereinigt um die Freiheit eines jeden Einzelnen zu bewahren - dient "Demokratie" heute allein der Legitimierung der Machtausübung durch kollektiv organisierten Mehrheiten.

Das Leben auf dem Land bietet keine Garantie dieser kollektiven Macht zu entrinnen. Aber es eröffnet die Möglichkeit es zu tun.

Dies nicht nur wegen dafür günstigen räumlichen Bedingungen - sondern auch weil der Einzelne nicht beliebig durch einen anderen ersetzt werden kann. Der Einzelne hat noch eine konkrete Bedeutung auf die es Rücksicht (wortwörtlich: "Re-spect") zu nehmen gilt um sich nicht von seiner potenziellen Unterstützung "abzuschneiden".
Der sogenannte "Zusammenhalt" ist kein ideologisch motiviertes Konstrukt - sondern konkret.
Im Zeitalter der "(a-?)sozialen Medien" sind Peer-Pressure und Mobbing als Begleiterscheinungen sozialer Kontrolle eher ein Problem urbaner Räume. Denn im urbanen Raum fehlt mangels Notwendigkeit auch die Motivation überhaupt mit Allen "auskommen zu wollen". Der Wille und die Bereitschaft zum Konsens - und damit auch die Toleranz - ist mittlerweile auf dem Land entwickelter als in der Stadt.

Die "Bodenständigkeit" des Landlebens ist auch die Folge einer größeren Anzahl entwickelter Persönlichkeiten. Persönlichkeit die sich weder in egomaner Egozentrik noch in einer kollektiven Masse verloren hat; Persönlichkeiten die auch nicht beständig zwischen diesen Extremen wechseln sondern die den Bezug zu einer Gemeinschaft mit der einer eigenständigen Persönlichkeit vereinen.